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4. Fastensonntag C // zur 2. Lesung

Daher: Alle, die mit Christus verbunden sind, sind neu erschaffen. Das Erste ging vorüber, seht: Neues kam zur Welt.
Doch alles geht von Gott aus: Gott versöhnt uns durch den Messias mit sich selbst und gibt uns die Aufgabe, die Versöhnung zu vermitteln: Ja, Gott war es, der im Messias die Welt mit sich versöhnt hat. Gott rechnete ihnen ihre Vergehen nicht an und hat unter uns das Wort von der Versöhnung in Kraft gesetzt. Im Auftrag des Messias sind wir nun Gesandte in der Überzeugung, dass Gott euch durch uns ersucht. So bitten wir an Stelle des Messias: Lasst euch versöhnen mit Gott! Gott hat ihn, der keinerlei Sünde getan hatte, an unserer Stelle zu einem sündigen Menschen gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit verkörpern, in eins mit Jesus.

(2. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 5, Verse 17-21)

Ach, Paulus. (Einen schönen Reisenamen hast du dir zugelegt, aber Scha'ul war auch ein schöner Name und ein mutiger König. Und ich finde, er passte auch gut zu dir, denn auch Saul - Scha'ul - hatte ja mit seinen Emotionen zu kämpfen.) Ich wünschte, du wärst manchmal ein bisschen gelassener geblieben.

Vermutlich hätten wir dann wohl manche tolle Formulierung von dir nicht, denn am besten formulierst du, wenn du emotional wirst. Aber ehrlich - deine Art, deinen Konflikt mit der Gemeinde in Korinth zu bearbeiten, ließe heute sämtliche Alarmglocken schrillen. Wir sind ja gewohnt, uns auf deine Seite zu stellen, und die Gegner, mit denen du in Korinth zu tun hattest, stehen für uns darum automatisch im Unrecht. Aber deine Art, wie du Gott zur Zeugin für deine Sache hernimmst - echt mal, dein Sendungsbewusstsein lässt dich unvorsichtig werden. Ich höre dir so gar keine Unsicherheit an, und ich halte das für gefährlich, denn schließlich wird Gott dir weder ins Wort noch in den Arm fallen, und du kannst Leute damit spirituell manipulieren. "Lasst euch mit Gott versöhnen" - wohl eher doch mit dir, denn du und die Gemeinde, ihr hattet ja den großen Krach, Gott war da nur mittelbar involviert. Und ich denke mir, so ein Satz wie "Gott hat den, der ohne Sünde war, für uns zur Sünde gemacht" - der entspringt auch nicht gerade dem durchdachtesten theologischen Bemühen, sondern deiner Erregung. In meinen Augen bist du da drüber.

Wenn wir heute noch deine Worte lesen, dann hoffe ich, dass wir nur das aufnehmen, was daran tatsächlich die Schönheit Gottes erschließt, und nicht deine Art und Weise, deine eigene Position im Gemeindestreit zu sakralisieren. "Wir sind Gesandte an Christi statt" - auch damit muss man doch so unfassbar vorsichtig sein, denke ich. Waren wir aber wirklich lange nicht, ganz in deiner Tradition, und so viel Klerikalismus ist daraus erwachsen, ganz zu schweigen vom Ausschluss von Frauen. Ich habe den Eindruck, dass die Einheit, wie du sie vor Augen stellst, mit Vielstimmigkeit nicht so gut zu vereinbaren war, dass verschiedene Positionen nicht nebeneinander stehenbleiben durften, sondern dass du die Gemeinde in die Entscheidung gedrängt hast. Vermutlich ging es ja um die Frage nach der Eingliederung ins Frühjudentum, also darum, ob getaufte Männer sich auch beschneiden lassen sollten. Und da gibt es ja nun tatsächlich nur ein Entweder-Oder, und die, die du als deine Gegner beschreibst, waren hart dafür. Aber du hattest nunmal diese starke Erwartung der Endzeit, und es war dir unglaublich wichtig, dass es beim Anbruch der Endzeit beide Gruppen noch gibt, jüdische und nichtjüdische Menschen. Eben weil es deine tiefe theologische Überzeugung war, dass sich erfüllen würde, was Jesaja träumte: Dass die Völker nach Jerusalem pilgern und gemeinsam mit Israel Gottes Glanz über der ganzen Erde aufgehen sehen würden. Darum wolltest du auf jeden Fall vermeiden, dass die Neugetauften sich komplett in die jüdische Gemeinde eingliedern ließen. Und heute, wo diese Frage längst historisch beantwortet ist, haben wir es immer noch schwer, Vielstimmigkeit und Mehrdeutigkeit zu ertragen. Einheit wünschen wir uns meistens in Form von Einheitlichkeit, und irgendwer zieht dabei in der Regel den Kürzeren, darum gibt es in der Kirchengeschichte so viele Gewinner und Verliererinnen. Ich lese deine Worte und denke, Mensch Paulus, warum nicht ein bisschen mehr Weite, mehr Selbstvergessenheit, mehr Bereitschaft, deine theologischen Lieblingsideen gleichberechtigt neben andere zu stellen, so wie in der hebräischen Bibel auch vieles nebeneinandersteht, was sich eigentlich widerspricht? Weil das doch eben so ist, wenn wir als Menschen an Gott und ihrer Größe rumdenken...

Aber auch das denke ich beim Lesen: Ich mag deine Jesaja-Frömmigkeit so sehr. "Siehe, Neues ist geworden." Du zitierst damit Jesajas Verheißung: "Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?" (Jes 43,18f.) Wenn das auch das Lebensgefühl der Gemeindemitglieder war, dann hatten sie eine große Hoffnung, und das rührt mich an, so viele Jahre später noch. Dass Neues wirklich möglich ist. 

Ohne die nahe Endzeiterwartung aber müssen wir auch deine Rolle downgraden, und ich hoffe, das gelingt. Es tut uns nicht gut, ohne Zweifel von Gott zu sprechen, erst recht nicht über die lange Dauer, in der aus dieser Abwesenheit von Zweifeln ganz neue Gewissheiten und Hierarchien werden, im Namen Gottes natürlich und damit jeder Kritik entzogen, so wie du auch meistens jeder Kritik entzogen wirst. Das hättest du dir vermutlich nicht träumen lassen, so intensiv, wie du um deine Position als Apostel kämpfst. Ein wenig von deiner Leidenschaftlichkeit täte uns wohl auch gut, da, wo es um Menschenrechte und die Schöpfung geht. Aber da, wo es um die Gemeinden und ihre Konflikte geht, da würde ich gern den Druck rausnehmen. Schade, dass wir das nicht miteinander debattieren können. Ich wünsche mir, dass deine Briefe zu lesen, uns nicht vom diskutieren abhält. "Wir kommen übrigens als Gottes Boten" sollte kein Argument in einem innerkirchlichen Streit sein, schon gar kein finales.