Cover Image

33. Sonntag im Jahreskreis C // zur 2. Lesung

Denn ihr wisst ja selbst, wie man unserem Vorbild folgen soll. So haben wir bei euch nicht regellos gelebt und bei niemandem umsonst unser Brot gegessen, sondern wir mühten uns Nacht und Tag mit schwerer Arbeit und Anstrengung, um niemandem von euch zur Last zu fallen. Nicht, dass wir kein Recht dazu hätten, vielmehr wollten wir uns selbst für euch zum Vorbild geben, damit ihr wisst, wie ihr uns nachahmen sollt. Denn auch als wir bei euch waren, ordneten wir an: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. Wir haben nämlich gehört, dass einige unter euch ein Leben ohne Regeln führen und nichts arbeiten, sondern nur so tun, als ob sie arbeiteten. Solchen Menschen gebieten wir aber und ermahnen sie in Jesus Christus, dem wir gehören: Sie sollen in Ruhe arbeiten und ihr eigenes Brot essen.

(2. Brief an die Gemeinde in Tessaloniki, Kapitel 3, Verse 7-12)

Der zweite Brief an die Gemeinde in Tessaloniki ist ein seltsames Schriftstück. Er kopiert die Anrede mit der Nennung, wer schreibt, wortgleich aus dem ersten Brief, zitiert diesen teilweise wörtlich, nennt ihn aber nirgendwo - anders als Paulus etwa in seinen vielen Schreiben nach Korinth. Dafür ist die Rede von "einem Brief, angeblich von uns" (2 Thess 2,2) - vermutlich soll dieser zweite Brief den ersten ersetzen, aber dieser erste ist eben auch schon in der Welt, und so haben wir beide heute im Zweiten Testament stehen. Der Grund für die Korrektur ist wohl, dass der erste Brief von der unmittelbar bevorstehenden Endzeit ausgeht - nun ist einige Zeit vergangen. Wenn die Welt nicht untergeht, braucht es andere Verhaltensweisen.

Wenn die erwartete Endzeit nicht eingetreten ist, muss man sich anders in der Welt zurechtfinden, sich für längere Zeit einrichten und die Hoffnung auf Gerechtigkeit dabei hochhalten - gerade wenn man schon so viele Schrecken hinter sich hat wie die jüdische Gemeinschaft, deren Tempel zerstört wurde, so gründlich, wie nur eine römische Armee es kann, und die sich immer wieder Verfolgungen ausgesetzt sah, egal ob jesusgläubig oder nicht. Der römische Staat kannte nicht nur Christenverfolgungen, sondern auch Pogrome gegen Jüdinnen und Juden, auch sie ein monotheistischer Stachel im Fleisch des Kaisers mit göttlichem Verehrungsanspruch.

Die Autoren haben sich die fiktive Identität von Paulus, Silvanus und Timothes gegeben, den nicht-fiktiven Autoren des ersten Briefs nach Thessaloniki, treten wie diese ohne jede Apostel-Selbstbezeichnung auf und geben also neue Verhaltensregeln vor. Sie tun das in der Wir-Form und dabei mit großer Autorität - so großer, dass der Brief immer wieder zur Begründung für eine starke Ausbildung kirchlicher Hierarchien und ein machtvolles Bischofsamt herangezogen wurde. Dabei ging unter, dass hier ein Kollektiv schreibt. Dieses Kollektiv ruft in die Nachfolge - in seine Nachfolge, nicht in die Nachfolge Jesu. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" - man kann diesen Satz in unseren heutigen Sozialstaatsdebatten für eine Weigerung halten, "unnütze Esser" durchzufüttern, also als Plädoyer dafür, Menschen noch das Minimum für eine würdige Existenz zu streichen, wenn sie nichts leisten. Das wäre dann im Extremen ein Konzept, bei dem auch die viele unentgeltlich geleistete Sorgearbeit nichts wert wäre. 

Aber so argumentiert der Brief nicht. Er schreibt dagegen an, dass sich Menschen aushalten lassen, und plädiert für die Erwerbsarbeit auch derer, die in der Gemeinde Verantwortung wahrnehmen - das Engagement in der Gemeinde soll ohne Gegenleistung erfolgen. Die Autoren haben also noch überhaupt keine Vorstellung von einem bezahlten Klerus, und nach ihrer Argumentation wäre das in ihren Augen wohl auch abwegig. Mit Marlene Crüsemann lässt sich von einer innergemeindlichen Demokratisierung nach unten sprechen: Denn der Lohn der Arbeit ist das Essen, nicht der Reichtum. Es geht also nicht darum, sich Anerkennung durch materiellen Reichtum zu erarbeiten. Anerkennung gebührt denen, die gerade so von ihrer Arbeit leben können - während die Kritik auch denen gilt, die ihren Reichtum für sich arbeiten lassen, bzw. durch Erbe und die Ausbeutung fremder Arbeitskraft so reich sind, dass sie sich mit Luxusspielereien abgeben können. Und man darf getrost voraussetzen, dass auch Sorgearbeit Arbeit im Sinne der Autoren ist - denn das Gegenbild zur Erwerbsarbeit ist hier eben nicht die Sorgearbeit, sondern der Müßiggang der Reichen - auch im römischen Reich gab es obszönen Reichtum. Dieser Brief soll nicht die Armen beschämen und dem Risiko aussetzen, unter das Existenzminimum zu fallen, sondern die Reichen dazu bewegen, so zu leben wie alle - was auch einschließt, für gigantischen Luxus gar keine Verwendung zu haben. Außerdem plädiert er dagegen, wegen religiöser Ideen Verantwortung zu leugnen oder hinter sich zu lassen. Denn Glaube erweist sich daran, diejenigen respektvoll zu behandeln, denen ihre Würde nur allzuleicht und allzuoft abgesprochen wird.

Psalmgebet zum 33. Sonntag im Jahreskreis C