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Dreifaltigkeit, noch einmal

Der Dreifaltigkeitssonntag kann den Eindruck erwecken, an den Gott Jesu zu glauben wäre kompliziert. Dazu trägt das veraltete Vokabular genauso bei wie der Anspruch, Gott sei als dreifaltig zu definieren - Gott dreifaltig zu nennen, sei also sachliches, nicht symbolisches Sprechen. Vor allem aber hat das westliche Christentum den Kontakt zu seinen frühjüdischen Wurzeln in Teilen verloren, und das hat Folgen. Das betrifft vor allem diejenigen religiösen Grundströmungen, die in der zwischentestamentarischen Zeit stark und einflussreich waren: Diese haben nämlich kaum noch Eingang in das Erste Testament gefunden, dessen Kanonisierung weitgehend abgeschlossen war, prägen aber ganz entscheidend das Denken in der Entstehungszeit des Zweiten Testaments. Diese religiös-kulturellen Grundströmungen verlieren an Einfluss, als das sich entwickelnde Christentum in die lateinischsprachigen Teile des Römischen Reiches ausbreitet und die aramäisichsprachigen Gemeinden innerhalb weniger Generationen ein absolutes Randphänomen werden. In der Folge wird die Theologie auf Griechisch und auf Latein entwickelt, und das sorgt für entscheidende Veränderungen:Denn Begriffe, die ihren Ursprung in der Vorstellungswelt der Hebräischen Bibel hatten und der aramäischsprechenden Bevölkerung der Levante vertraut waren, entwickeln in der griechischen, später lateinischen Übersetzung ein philosophisches Eigenleben und ändern dabei grundlegend ihren Charakter und führen in hochspekulative Theorien über das Wesen Gottes vor aller Geschichte.

Ohne die Weisheitstheologie der Zeitenwende ist die Rede von der Dreifaltigkeit kaum verständlich zu machen, vor allem, weil man ja mit Fug und Recht fragen kann, woher Menschen das alles über Gott wissen wollen, was unter dem Label der Dreifaltigkeit schon alles entwickelt wurde. 

Am Anfang steht die Entwicklung des biblischen Gottesbildes von einem Stammesgott mit Partnerin zum Monotheismus: Aus JHWH, einem lokalen Sturm- und Wettergott mit seiner Partnerin Aschera, zuständig für Fruchtbarkeit, wird die eine Gottheit über und hinter allem. Drei Entwicklungsstränge beeinflussen sich hier immer wieder gegenseitig: erstens die Entwicklung von einem Gott unter vielen über die Vorstellung, dass es die anderen Götter gibt, JHWH aber der größte ist, bis zum Punkt, wo die anderen Götter Götzen sind und es nur eine einzige Gottheit gibt; zweitens die Entwicklung von einem Gott, der in Stiergestalt dargestellt und angebetet wurde, über diverse Zwischenstadien, in denen unter anderem nur noch die Hörner dargestellt wurden (hier haben die "Hörner des Altars" ihren Ursprung, die im Psalter des öfteren erwähnt werden), hin zu einer Gottheit, die mit keinem Bild darstellbar ist, und drittens das Namenstabu, mit dem der Name Gottes, früher ausgesprochen und angerufen, ins Schweigen entzogen wird, weil kein Wort Gott wirklich ins Wort bringen kann, und weil einen Namen zu kennen, immer auch eine gewisse Verfügungsgewalt über jemanden bedeutet, die in Bezug auf JHWH niemand hat. Mit diesen drei Strängen - Monotheismus, Bildlosigkeit, Namenstabu - wird Gott immer transzendenter, aber Menschen brauchen ein weltzugewandtes Gesicht Gottes.

So entstand die Vorstellung von Gottesattributen, die als solche weltzugewandten Gesichter Gottes funktionieren: Das ist etwa das Wort Gottes, das mit einer gewissen Eigenständigkeit in der Welt unterwegs ist - es kehrt nicht leer zu Gott zurück, sondern bewirkt, wozu es gesandt wurde, Jesaja 55 -, oder die Weisheit Gottes, die durchgängig als eine weibliche Gestalt vorgestellt wird und in Israel Wohnung nimmt. Sie übernimmt die Aufgabe der Vermittlung zwischen Gott und Volk, die im Alten Orient eigentlich dem König zukommt, der deswegen auch oft als Sohn Gottes gilt, die aber in Israel nach dem Babylonischen Exil prekär geworden war, weil Israel kein eigenständiger Staat mehr wurde (siehe Artikel zum Fest Taufe des Herrn). Die durchgehend als Frauengestalt imaginierte Weisheit ist Gottes Gegenüber schon vor der Schöpfung, und sie wirkt auch unter den Menschen. Die Weisheit und das Wort - hebräisch chokhma und dabar, griechisch sophia und logos - sind in diesem Denkhorizont Synonyme, sie bringen beide die gleiche Vorstellung ins Wort, nämlich das weltzugewandte Gesicht Gottes, das vor aller Zeit schon Gottes Gesprächspartner war und nun Gott den Menschen nahebringen kann. Jesus von Nazareth galt seinen Anhänger*innen zuerst als Sohn der Weisheit, später als Personifizierung der Weisheit selbst, an dem Menschen sehen konnten, wie Gott ist.

Dann aber kam es zur Trennung der Wege: Die Jesusgläubigen waren zuerst eine von viele Gruppen innerhalb dessen, was mangels eines besseren Worts als "Frühjudentum" bezeichnet werden kann, auch wenn es noch ein langer Weg zur späteren Gestalt des Judentums sein sollte. Mit der rasanten Ausbreitung des Glaubens an Jesus im Römischen Reich aber verselbständigte sich dieser Zweig und wurde zu einer eigenständigen Religion. In der Trennung der Wege grenzten sich die beiden entstehenden Religionen Judentum und Christentum voneinander ab und beeinflussten sich dadurch auch gegenseitig. Im Zuge dessen kam es zu einer Gütertrennung der austauschbaren Begriffe sophia und logos: Die sophia blieb beim entstehenden Judentum, das die Weisheit weiterhin ungebrochen weiblich personifizierte, und der logos wanderte zum jungen Christentum, auch weil der logos als männliches Wort auf Dauer leichter auf Jesus von Nazareth anwendbar war.

Weil Menschen aber auch die weiblichen Aspekte in der Gottesrede nicht entbehren wollten, wanderten die Attribute der Weisheit im westlichen Christentum dann weiter zu Maria, die dadurch von der Prophetin zur Himmelskönigin wurde. Das Christentum im oströmischen Reich machte diese Entwicklung nicht mit, sondern behielt die Heilige Weisheit als eine Gestalt der Ikonengalerie. Das Bild von Maria bekam darum nicht diese königlichen Züge, und das ist ein wichtiger Grund dafür, warum die späten Mariendogmen der römisch-katholischen Kirche so ein großes Hindernis in der Ökumene darstellen. Im westlichen Christentum wanderten die Attribute Mariens in den Kirchen der Reformation dann wiederum weiter zur Heiligen Geistkraft; vieles, was in katholischer Theologie unter dem Stichwort der Mariologie verhandelt wird, findet sich in protestantischer Theologie bei der Pneumatologie, der Lehre vom Heiligen Geist.

Vor diesem Hintergrund der Weisheitstheologie wird nachvollziehbar, warum Jesus in der weiteren Ausgestaltung der christlichen Theologie als präexistent geglaubt wurde - dieses Bild ist ein Erbe der Vorstellung von der Weisheit als Schöpfungsmittlerin, die vor Gott spielt. Auf Latein formuliert, ergaben sich neue Bilder für Gottes Transzendenz und Gegenwärtigkeit zugleich, vor allem das Bild der Person: Eine persona ist eine antike Theatermaske, durch die hindurch die Stimme des Schauspielers klingt: per-sonare, durch-klingen. Es sind Masken, Bilder, durch die hindurch klingt, welche Rolle Gott in unserem Leben spielt, und das ist dann nichit mehr kompliziert, sondern Poesie von der Schönheit Gottes.