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7. Sonntag im Jahreskreis C // zum Evangelium (2025)

Aber zu euch, die ihr zuhört, sage ich:
Liebet, die euch feindlich gegenüberstehen, und tut Gutes denen, die euch hassen. Heißt die willkommen, die euch fluchen, und betet für die, die euch schlecht behandeln.
Wenn dich jemand auf die eine Wange schlägt, halte auch die andere Wange hin, und wenn jemand dein Obergewand wegnimmt, kämpfe nicht für das Untergewand. Gib allen, die dich bitten, und fordere von denen, die von dir nehmen, nichts zurück.
Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun, so sollt auch ihr ihnen tun. Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben – welchen Dank erhaltet ihr dann? Denn auch diejenigen, die Unrecht tun, lieben die, die sie lieben. Wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes getan haben, welchen Dank erwerbt ihr euch? Diejenigen, die Unrecht tun, verhalten sich auch so. Und wenn ihr denen ausleiht, von denen ihr hofft, zu erhalten, welchen Dank erhaltet ihr? Auch diejenigen, die in Unrecht verstrickt sind, leihen ihresgleichen, damit sie gleichermaßen auch erhalten.
Jedoch: Liebet eure Feinde [und Feindinnen], tut Gutes und leiht aus, ohne etwas zu erhoffen! Dann wird eure Vergütung groß sein, und ihr werdet Söhne [und Töchter] des Höchsten, denn auch Gott wendet sich gütig den Ungütigen und Bösen zu. Habt Mitleid, wie auch Gott mit euch leidet. Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Verurteilt nicht, damit ihr nicht verurteilt werdet. Sprecht frei und ihr werdet freigesprochen! Gebt und Gott wird euch geben. Was dann in euren Schoß fallen wird, ist wie ein gutes Maß Getreide, voll gedrückt, gerüttelt, überfließend! Denn mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird Gott euch im Gegenzug abmessen.

(Lukasevangelium, Kapitel 6, Verse 27-38)

An der Feldrede bei Lukas kann man gut sehen, wie wichtig die theologische Männer- und Männlichkeitsforschung ist. Sonst wird leicht "Mann" und "Mensch" gleichgesetzt, und damit wird, was eigentlich an Männer adressiert ist, zur geschlechtslosen Norm. Daraus ergibt sich eine Schieflage, die schlimmstenfalls eine Aussageabsicht ins Gegenteil verkehrt. Darum halte ich in diesem Fall die inklusive Übersetzung der "Bibel in gerechter Sprache" für anfragbar. Denn zwar müssen wir davon ausgehen, dass in jeder "Menge", zu der Jesus spricht, Frauen, Kinder, Männer anwesend sind, aber dennoch gibt es Diskurse, in denen nicht alle gleichermaßen angesprochen sind. Manche Fragen stellen sich für Menschen mit weniger Handlungsspielräumen schlicht nicht.

In der Feldrede legt Jesus die Tora aus, und er bezieht sich dabei insbesondere auf das Heiligkeitsgesetz in Levitikus 19, dessen Mitte der Vers bildet "Liebe deinen Nächsten, er ist wie du" bzw. "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" - der hebräische Text gibt beides her. Martin Buber übersetzt denn auch genauso offen: "Halte lieb deinen Genossen, dir gleich." Und damit thematisiert Jesus Männerrollen, am sichtbarsten bei der Aufforderung, die andere Wange hinzuhalten. Diese Aufforderung funktioniert nur, wenn damit jemand angesprochen wird, der eben normalerweise keine Schläge einstecken muss. Schläge ohne Gegenwehr einstecken müssen in der Antike Frauen und versklavte Menschen. Im Setting, dass ein Mann eine Frau schlägt, ergibt die Aufforderung keinen Sinn, denn das Hinhalten der anderen Wange soll den Schläger als unbeherrscht entlarven, der jemanden schlägt, den er nicht schlagen darf: Radikale Selbstbeherrschung ist das Gebot der Männlichkeit.

Das Setting setzt voraus, dass hier Menschen auf Augenhöhe handeln. Die Aufforderung, die andere Wange hinzuhalten, ist eingebettet in eine Rede, in der verhandelt wird, wie die Söhne Israels im Angesicht der Gottesherrschaft leben sollen, wie ein idealer israelitischer Mann handelt. Wie weit Jesu Auffassung von Männlichkeit geht, die durch radikalen Verzicht auf Gegenwehr die Gegner als unbeherrscht und gottfern markiert, zeigen die Passionserzählungen. Sie entfalten ihre Kraft vom Ausgangspunkt her, dass Gegenwehr oder zumindest eine Verteidigung möglich gewesen wäre. Ohne diese Möglichkeit ist sie einfach nur eine brutale Schilderung des Rechts des Stärkeren, sich durchzusetzen und zu vernichten, was ihm lästig ist.

Wer ohnehin keine Möglichkeit der Gegenwehr hat, für den oder die ist der Verzicht auf Gegenwehr kein geeigneter Rat, sondern wäre die Aufforderung, sich selbst aufzugeben. Der Verzicht auf Gegenwehr ergibt nur Sinn für diejenigen, denen Gegenwehr möglich ist und für die die Verletzung ihrer Rechte kein Alltag ist, die nicht ohnehin recht- und wehrlos sind. Wer ohnehin schon am Boden liegt, muss sich zumindest schützen dürfen, und ihr oder ihm darf nicht aberkannt werden, dass hier Unrecht geschehen ist, denn diese Anerkennung schützt die Identität. Es ist natürlich möglich, dass auch in Machtgefällen die misshandelte Person aus einer großen inneren Stärker heraus mit herausforderndem Verzicht auf Gegenwehr auf Gewalt reagiert. Mir scheint aber, dass dann diese innere Stärke das Machtgefälle eigentlich außer Kraft setzt, wenn es ihr gelingt, das Handeln des Stärkeren auch für diesen Stärkeren selbst als Unrecht erkennbar zu machen. Diese innere Größe und Freiheit ist aber nicht zu verlangen, schon gar nicht von Menschen, die sich gerade erst mühsam wieder aneignen, dass sie ein Recht auf die Achtung ihrer Würde haben.

Auf Gewalt, die sich in asymmetrischen Beziehungen ereignet, ist Jesu Wort nicht gemünzt. Das ist wichtig, weil es immer noch auch und gerade religiöse Auffassungen gibt, die das Erleiden von Gewalt an sich sakralisieren und Menschen wehrlos machen. Das ist eine Form der Vernichtung von Identität, die Jesus nicht will. Ihm geht es gerade um den Gewinn von Identität von Männern als "Söhne des Höchsten". Die Herausarbeitung von Männerrollen und Männlichkeitsidealen ist gerade auch deswegen wichtig, damit Jesu Worte nicht als Legitimation dür ungleiche, gewaltgeprägte Beziehungen und Verhältnisse dienen. Keine Frau muss mit Hinweis auf Jesu Worte mindere Rollen, weniger Gehalt und eine Einschränkung ihrer Wahrfreiheit und Entfaltungsmöglichkeiten hinnehmen. Gerade in kirchlichen Kontexten wird Diskriminierung gegenüber den Diskriminierten aber immer noch so begründet und Gegenwehr abgewertet, wenn auch mittlerweile subtiler als früher. Jesus wird wohl gewusst haben, warum er sich mitunter ausdrücklich und ausschließlich an Männer wandte.

Für heute ist es komplexer. Es ist an uns, zu wissen, wo wir privilegiert sind, und gerade auf diese Privilegien zu verzichten. Es ist an uns, die Worte Jesu nur so zu gebrauchen, dass damit kein Unrecht legitimiert wird, sondern im Gegenteil als Unrecht entlarvt. Je privilegierter wir sind, desto mehr gilt die Aufforderung Jesu, diese Privilegien nicht anzuwenden, sich keine Vorteile daraus zu verschaffen. Das einmal durchbuchstabiert, in Hinsicht auf Hautfarbe, Einkommen, Behinderung, Geschlecht... es wäre gigantisch, es wäre der Himmel auf Erden.