
7. Sonntag der Osterzeit // Herrlichkeit
„Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind…“
(Johannesevangelium, Kapitel 17, Vers 22)
Herrlichkeit allerorten: Da liegt der Gedanke durchaus nahe, dass alles das eine Männersache ist. Wo Herrlichkeit auf der einen Seite ist, da ist auf der anderen Fraulichkeit - also vor allem Beschäftigung mit Mode, was auch schön, aber als Gegenwert irgendwie unbefriedigend ist, die Geistkraft bewahre uns vor dem Tradwife-Trend -, oder aber Dämlichkeit, auch wenn deren Ableitung von „Dame“ eine Volksetymologie ist. Gleiches gilt für den mit Herrlichkeit eng verbundenen Begriff der Ehre, denn sein Gegenstück ist die Scham, und die ist sprach- und kulturgeschichtlich vor allem dem Weiblichen eigen.
Natürlich ist das "nicht so gemeint". Im Zweifel muss man das wohl "theologisch sehen", was aber meistens leider nicht heißt, mit einer Leidenschaft für Gott-die-Lebendige auf das Leben zu schauen, sondern offensichtliche Ungerechtigkeiten wegzuerklären, weil bei Gott ja alles ganz anders sei oder aber Gott das Patriarchat eigentlich ganz in Ordnung finde.
Herrlichkeit also. In der Hebräischen Bibel ist das zuerst ein Wort, mit dem "Schwere" und "Gewicht" verbunden wird, etwas, das Eindruck macht: Kavod. (Auch das ist mit Frauen heute schwer zu verbinden, für die die Norm gilt: je weniger Gewicht, desto besser.) Der Schwere gesellt sich ein anderes Bedeutungsfeld hinzu, nämlich Glanz, etwas Lichtvolles, das sich gleichwohl im Ineinander von Feuer und Wolkendunkel zeigt, wenn Gott die Kinder Israels aus Ägypten hinausführt und sich am Sinai offenbart.
Der kavod Gottes verschmilzt sodann mit dem Namen Gottes, denn ihr Name ist ein Wortspiel mit dem Satz "Ich bin, als wer ich mich erweisen werde", und das geschieht im Aufleuchten der Herrlichkeit am Sinai wie auch im Heilwerden des Menschen. Weil die menschliche Ehre in den kavod Gottes eingebettet ist, ist es übrigens eine Ehrerbietung Gott gegenüber, sich um weniger geehrte Mitmenschen zu kümmern. Daher kommt der Hinweis Jesu: "Was ihr ihnen getan habt, habt ihr mir getan."
Im griechischen Neuen Testament wird der Begriff doxa zum zentralen Wort für den hebräischen kavod. Damit hat ein vormals in der griechisch-philosophischen Tradition geschmähter Begriff für den schönen Schein ein ganz neues Gewicht bekommen. Jesusgläubige sehen in ihm, Jesus, Gottes doxa, und sie erwarten seine Wiederkunft mit der Wolke, eine Vollendung der Offenbarung am Sinai - wo er doch zweimal in der Lichtwolke verschwunden war, erst auf dem Tabor und dann schließlich beim Eingehen in Gottes Glanz.
Der Evangelist Johannes betont das besonders, er erzählt ausführlich, wie Gottes Glanz schon immer lichtvoll auf Jesus gelegen hatte und in seinem Leben aufgeleuchtet war, und wie er ihn an die Jüngerinnen und Jünger weitergegeben hatte und den Geist der Gottesgegenwart bei ihnen ließ, bevor er über sein Sterben hinaus als unverbrüchlich von Gottes Glanz getragen offenbar wurde. Das ist zwar das Evangelium, in dem das Bild des Vaters für Gott mehr dominiert als in allen älteren Schriften, aber das Johannesevangelium spricht auch ausführlich von den Frauen um Jesus und gibt dem Petrus ein ebenbürtiges Gegengewicht in Maria von Magdala: Hineingenommen zu werden in den Glanz Gottes, der in Jesu Leben sichtbar geworden war, ist im Johannesevangelium keine Frage des Geschlechts. Das Deutsche führt hier die Vorstellung in die Irre: Hier wirken Herrlichkeit und Verherrlichung durch die so enge Verzahnung von Männlichkeit und Herrlichkeit nicht erleuchtend - in Gottes Glanz hineinnehmend, die keine Unterschiede macht -, sondern verdunkelnd, und in diesem Wolkendunkel mag Gott für die nichtmännlichen Auchmenschen nicht gut zu finden sein. Dass im heutigen Evangelium mehr zu finden sein könnte als ein Gespräch zwischen Männern und über Männer, das muss dem Text im Deutschen erst abgerungen werden.
Die Assoziation mit Männlichkeit und männlicher Herrschaft, wie sie das Wort "Herrlichkeit" mehr als nur nahelegt, eignet übrigens weder dem hebräischen kavod noch der griechischen doxa. Umso dringender ist eine andere Übersetzung angeraten, die dem heiligen Namen Gottes besser entspricht, denn Gott erweist sich als Gott für Leben und Fülle, nicht für Niederdrückung und Kleinhalten. Das deutsche Wort „Herrlichkeit“ legt ein vermännlichtes Gottesbild und eine Legitimation patriarchaler Herrschaft nahe. Der Glanz Gottes aber, der in dieser Welt aufscheinen soll, wird durch ungerechte Herrschaft verdunkelt und entstellt. Ich plädiere darum für die Übertragung von kavod und doxa mit "Glanz", und statt "verherrlichen" eignet sich gut das Wort "aufleuchten" - damit Gottes Schönheit in der Sprache aufscheine, die Wirklichkeit schafft.