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20. Sonntag im Jahreskreis C // zum Evangelium
Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu schleudern, und ich wollte, es wäre schon entfacht! Mit einer Taufe aber muss ich getauft werden, und wie sehr werde ich gequält, bis sie sich erfüllt! Meint ihr, es sei mir gegeben, Frieden auf der Erde zu stiften? Nein, ich sage euch: Zwietracht. Es werden nämlich von jetzt an fünf in einem Hause sein, die werden entzweit, drei mit zweien und zwei mit dreien. Ein Vater wird mit seinem Sohn streiten und ein Sohn mit seinem Vater, eine Mutter mit ihrer Tochter und eine Tochter mit ihrer Mutter, eine Schwiegermutter mit der jungen Frau und die junge Frau mit der Schwiegermutter.«
(Evangelium nach Lukas, Kapitel 12, Verse 49-53)
Jesus ist in den biblischen Evangelien kein harmonischer Typ. Er formuliert gerne spitz und manchmal auch polemisch, aber er ist dabei nur einmal persönlich verletztend - bei der Episode mit der Frau, die er mit den Hunden unter dem Tisch vergleicht, und in diesem Fall lässt er sich von ihr korrigieren und seiner ganzen Sendung eine neue Richtung geben. Und bei aller Freude an der Auseinandersetzung ist er doch den Einzelnen gegenüber von einer aufmerksamen, zugewandten Gelassenheit, mitunter sogar Zärtlichkeit. Das und das im Christentum verbreitete Bild vom Lamm, das sich zur Schlachtbank führen ließ, haben dazu geführt, dass seine kantigen Seiten besonders in der religiösen Bildsprache des Katholizismus seit dem 19. Jahrhundert geglättet wurden und ein süßliches Jesus-Bild entstand, zu dem das Zitat aus dem Lukasevangelium einen deutlichen Kontrast bildet.
Jesus ist jemand, der keine Angst vor Auseinandersetzungen hat. Harmonie um jeden Preis ist nicht seine Sache, und wenn die Zeiten auf Konfrontation stehen, dann ist das etwas, dem man entgegentreten muss. Das ist eine Botschaft auch für Kirchen und Konfessionen, die in ihrer inneren Kommunikation keine gute Streitkultur etabliert haben. Wenn jede Unstimmigkeit den Bruch der Gemeinschaft befürchten lässt und man darum Konflikte glattbügeln muss, anstatt ein offenes Wort zu wagen, dann breiten sich Risse unter der Oberfläche umso deutlicher aus.
Jesus sucht nicht Konflikte um jeden Preis, aber wo einer ist, weicht er nicht aus. Wer von Gerechtigkeit träumt, muss die Konfrontation in Kauf nehmen. Interessanterweise ist die Aufzählung bei Lukas, wer mit wem in Konflikt gerät, aber durchaus durchdacht. Es geht nicht um Auseinandersetzung mit egal wem, sondern um klare Konfliktlinien. Sie verlaufen zwischen den Generationen, und das ist uns heute ja durchaus nicht unbekannt.
Außerdem verlaufen sie geschlechtergetrennt. Dass es trotz der drei dargestellten Konfliktparteien Vater-Sohn, Mutter-Tochter und Schwiegermutter-junge Frau dennoch fünf Personen sind, es also drei gegen zwei in einem Haus steht, liegt daran, dass Familien patrilinear organisiert sind: Frauen verlassen ihre Familie mit der Heirat und gehören zur Famiilie ihres Mannes. Damit haben die Eltern, obzwar nur zwei Personen, drei Konfliktparteien: der Vater den Sohn, die Mutter die noch unverheiratete Tochter und dazu noch, in ihrer Eigenschaft als Schwiegermutter, die junge Frau, die neu in der Familie ist, also die Frau des Sohnes. Frauenbeziehungen sind oft vielschichtiger und komplexer organisiert, so ist es nicht genetisch, aber kulturell durchaus angelegt.
Dass die Konfliktlinien zwischen den Generationen die Geschlechtergrenze dabei nicht überschreiten, heißt aber auch, dass diese Konflikte nicht von männlicher Macht dominiert und entschieden, sondern auf jeder Seite ausgetragen werden. Letztlich sind die jungen Leute aber in der Mehrzahl, woraus man schließen kann, dass diejenigen, die zuerst als die Gegenseite benannt werden, nicht diejenigen sind, die auf lange Sicht dominieren werden. Es sind Konflikte, die nicht alle Beziehungen unmöglich machen, sondern verschiedene Lebensmodelle, die gegeneinander stehen. Und es wird nicht gesagt, dass der Streit, der im Haus herrscht, die Hausgemeinschaft letztlich unmöglich macht. Frauen führen diese Konflikte so wie Männer auch, auch für sie gibt es sowohl das Recht wie auch die Notwendigkeit dazu.
Die Formulierung durch Lukas lässt erahnen, in welchen Situationen die Jesusgläubigen seiner Zeit sich wiederfanden. Heutige Konflikte um Demokratie und Klimaschutz - wobei die Klimakatastrophe eine Gefahr für die Demokratie darstellt und zugleich von denjenigen negiert wird, die auch der Demokratie skeptisch bis feindlich gegenüberstehen - sind auch oft genug Generationenkonflikte, so wie auch Geschlechter- und Diversitätsdebatten eine deutliche Konfliktlinie zwischen den Generationen aufweisen.
Nicht nur, aber besonders in der römisch-katholischen Kirche werden Konflikte bis heute durch ältere Männer entschieden, während der offene Streit gefürchtet wird. Die Worte Jesu, wie sie das Evangelium wiedergibt, zeigen andere Möglichkeiten auf, Konflikten zu begegnen.