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3. Fastensonntag C // zur 1. Lesung und zum Eingangsgebet

Zur 1. Lesung: Ex 3,1-15

Die erste Sonntagslesung erzählt von Mose am brennenden Dornbusch: Hier gibt Gott Gottes Namen preis. Beziehungsweise: Hier erklärt ein Wortspiel die Bedeutung des unaussprechlichen Gottesnamens JHWH - und es sollte uns zu denken geben, dass das Heilige mit einem Spiel erklärt wird, nicht mit einem Dogma. Leichtfüßig kommt es daher, nicht mit der unerschrockenen Gottprotzigkeit, die alles weiß und nichts mehr fragt.

"Wie heißt du?", fragt Mose, und Gott antwortet: "Ich bin, als wer ich mich erweisen werde." Diese Übersetzung ist eine sprachliche Krücke, das Hebräische ist hier eben spielerischer als das Deutsche, knapper und schon vom Vokabular her farbig und anspielungsreich - so scheint das Wort "Leben" im Verb "sein" noch durch, und die Laute klingen nach dem fließenden Atem, der alle lebendigen Wesen verbindet. Und Gottes Gegenwärtigkeit kann nicht in einer abgeschlossenen Zeitform stehen, sondern steht im hebräischen Imperfekt, das Vergangenheit wie Zukunft bedeuten kann und dabei alles meint, was noch nach vorne hin offen ist.

Diese Stelle erklärt den Sinn des unaussprechlichen Gottesnamens. Der Name, das Wortspiel kommt im übersetzten Text aber überhaupt nicht mehr vor, nur noch in einer Fußnote zu Ex 3,14, die aber auch beklagenswert viele Fragen offenlässt und so gar nicht verständlich macht, was es mit dem HERR im deutschen Text auf sich hat. Beim Erscheinen der Einheitsübersetzung 2016 wurde die Ersetzung der Chiffre JHWH mit HERR mit der jüdischen Lesepraxis begründet und mit dem nachvollziehbaren Einwand der jüdischen Geschwister, die gegen die Verwendung des Gottesnamens als Eigenname in der alten Einheitsübersetzung zu Recht schwere Einwände erhoben hatten. Aber in der jüdischen Lesepraxis bleibt der unersetzte Gottesname im Text stehen, wie ein Fenster zur Transzendenz, durch das man das Feuer des Dornbuschs noch leuchten sehen kann, man ersetzt ihn nur im Akt des Lesens selbst. Die Gott vermännlichende Übertragung mit HERR in der Einheitsübersetzung hat dieses Fenster gründlich zugenagelt.

Das Wortspiel also mit den Buchstaben des Gottesnamens JHWH und dem Verb “sein”, “HIH” wird in der Übersetzung ebenfalls vermännlicht und vereindeutigt, wo der hebräische Text deutlich mehr Weite in sich trägt: “Ich bin, der ich bin” ist eine korrekte Übersetzung, aber “ich bin, die ich bin” wäre genauso korrekt, wie auch “ich bin, was ich bin”. Wenn in einer so durchgegenderten Sprache wie dem Hebräischen und in einem so patriarchalen Umfeld an einer so wichtigen Stelle eine geschlechtliche Uneindeutigkeit auftaucht, dann ist das zu heben und zu feiern, nicht wegzuübersetzen. Denn da, wo etwas Unerwartetes in die Welt kommt, wo Gott sich als anders erweist als alles, was wir ohnehin schon wussten, da ist der Ort des Heiligen im Text. Im zweiten Teil des Verses Ex 3,14 wird in der Einheitsübersetzung dann noch ein - selbstredend männlicher - Artikel ergänzt, der sich im hebräischen Text nicht findet: Aus “Ich-bin hat mich gesandt” wird “Der Ich-bin hat mich gesandt.” Der verbindliche Text für die Feier der Liturgie der katholischen Kirche in Deutschland kommt offenbar mit dem Wortspiel, der Weite, dem Fluiden des hebräischen Textes nicht zurecht. 

HERR spricht von Herrschaft, von Macht, Herrlichkeit und Heiligkeit. Alles richtig in Bezug auf Gott. Aber da wäre noch mehr. Lebendigkeit, verzehrend wie das Feuer, wie die Liebe, die trifft wie ein Blitz, und Mose steht barfuß, verletzlich, ehrfürchtig auf dem Wüstensand, wo auf einmal alles in einem Sinn zusammenfindet: die Wüste, das Feuer, die Stimme, die Heiligkeit des Lebens. Gott ist soviel mehr als HERR.

Zum Eingangsgebet

Das Eingangsgebet weist ähnliche Verengungen auf: Gott wird hier angeredet als "Quell des Erbarmens und der Güte". Es ist wirklich bemerkenswert, dass hier auf das veraltete und ungebräuchliche Wort "Quell" zurückgegriffen wird - wäre es wirklich so undenkbar gewesen, von Gott im Femininum zu  sprechen und zu formulieren "du  bist die Quelle"?

Zumal, wenn es weitergeht mit "Quell(e) des Erbarmens und der Güte" - auf hebräischen Spuren gelesen, wäre das Wort für das deutsche "Erbarmen" die Mutterschößigkeit Gottes, denn im Hebräischen leitet sich der Begriff, der mit "Barmherzigkeit" ins Deutsche übertragen wird, direkt vom Wort für "Gebärmutter" ab.

Konsequent formuliert das Gebet dann im Maskulinum: "Wir stehen als Sünder vor dir... lass uns Vergebung finden durch Gebet, Fasten und Werke der Liebe". Nichts gegen Gebet, Fasten und Werke der Liebe, wir können mit allen dreien nach Jesu Vorbild leben. Aber Vergebung muss sich niemand verdienen, so schwer das auch begreiflich ist. Käme es auf unsere Verdienste an, könnte niemand bestehen: Gnade ist gratis. Das Gebet ist in sich nicht konsistent, denn wenn Gott geglaubt werden darf als Quelle des Erbarmens, der Mutterschößigkeit, und wir wagen tatsächlich das Vertrauen darauf - dann brauchen wir die Werke nicht, um Gottes Vergebung zu verdienen.

Gott, für uns wie eine Mutter, wie ein Vater,
deine Freundlichkeit, deine Zuwendung sind zu groß für uns.
Wir sind, wie wir sind, vor dir,
und wir stellen uns in deinen Blick,
denn du hältst uns aus,
du Unverdiente,
und du umgibst uns mit Gnade ohne Grenzen:
Sei uns innig gelobt - Amen.