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16. Sonntag im Jahreskreis C // zur ersten Lesung

Da ließ sich Adonaj vor ihm sehen, und zwar bei den Bäumen Mamres, als er gerade in der Glut des Tages am Eingang des Zeltes saß. Er hob seine Augen, schaute auf und siehe, drei Gestalten standen vor ihm. Er sah hin, lief ihnen vom Zelteingang aus entgegen, beugte sich bis zur Erde und sprach: »Meine Herrschaften, wenn ich bei dir Wohlwollen gefunden habe, dann geh doch bitte nicht an deinem Knecht vorbei. Erlaubt, dass etwas Wasser geholt wird, wascht euch die Füße und lagert euch unter den Baum. Ich will ein Stück Brot holen, dass ihr euer Herz erfrischt. Dann mögt ihr vorbeiziehen, denn deshalb seid ihr doch bei eurem Knecht vorbeigekommen.« Sie sagten: »Mach es nur so, wie du sagst.« Da eilte Abraham zum Zelt, zu Sara, und rief: »Beeil dich, drei große Krüge Mehl, das feinste, knete Teig und mach Fladenbrot.« Aber zu den Rindern rannte Abraham selbst, nahm ein Jungtier, zart und gut, gab es dem Burschen, der es eilends zubereitete. Dann nahm er dicke Milch und frische Milch und das junge Rind, das er bereitet hatte, und setzte es ihnen vor. Er bediente sie stehend unter dem Baum – und sie aßen. Dann sprachen sie zu ihm: »Wo ist deine Frau Sara?« Und er: »Sieh da, im Zelt.« Dann hieß es: »Ich komme ganz sicher zu dir zurück – zur Zeit, die das Leben braucht. Und siehe, dann hat Sara, deine Frau, einen Sohn.«

[Sara hörte zu vom Eingang des Zeltes her, der hinter ihm war. Abraham und Sara waren schon alt, in die Jahre gekommen. Bei Sara hatte der weibliche Zyklus längst aufgehört. Da jauchzte Sara innerlich und dachte: »Nachdem ich verbraucht bin, soll ich Liebeslust bekommen? Und auch mein Herr ist alt.« Da sprach Adonaj zu Abraham: »Warum jauchzt Sara denn und denkt: ›Sollte ich wahrhaftig noch gebären? Wo ich doch so alt bin?‹ Ist für Adonaj eine Sache zu wunderbar? Zur rechten Zeit kehr ich zu dir zurück, zur Zeit, die das Leben braucht – und Sara hat einen Sohn!« Aber Sara stritt es ab und sagte: »Ich hab nicht gejauchzt«. Denn sie hatte es mit der Angst bekommen. Er aber sprach: »Doch, du hast wirklich gejauchzt.«]

(Buch Genesis, Kapitel 18, Verse 1-15)

Drei Männer/drei Engel/Gott selbst sind bei Abraham zu Gast, und Abraham folgt der Verpflichtung zur Gastfreundschaft, Nach dem Mahl erneuern die Männer das Versprechen Gottes auf einen Sohn – und Sara, verborgen hinter der Zeltbahn, hört zu. Ohne zu wissen, wer da spricht, juchzt sie auf vor Freude auf eine so lange ersehnte Schwangerschaft – oder bricht in Prusten aus, denn sie weiß, dass ihre fruchtbaren Jahre vorbei sind. Beide Lesarten sind möglich – in jedem Fall wird ihr Sohn seinen Namen von diesem Auflachen erhalten, nicht von Abrahams resigniert-zweifelndem Lachen beim vorherigen Gottesbesuch, als Abrahm auf Gottes Verheißung hin lacht (Gen 17,17) und seinem Lachen den Wunsch folgen lässt, wenigstens Ismael solle das Erwachsenenalter erreichen (Gen 17,18) – das ist ungefähr so, als wenn er gesagt hätte, „wer’s glaubt…“

An der Stelle, als Sara auflacht, gibt der Text das Vexierspiel mit den drei Männern/drei Engeln/Gott selbst auf und nennt Abrahams Gast selbst mit dem Gottesnamen JHWH. Saras Lachen lässt Gott sich offenbaren, und umgekehrt offenbart Gott sich ihr. Und Sara ist keine Zweiflerin, denn als sie realisiert, mit wem sie spricht, distanziert sie sich sofort von ihrem Auflachen.

Diese Episode des Gastmahls mit Verheißung ist der einzige Teil aus der Geschichte um Sara, die auch an einem Sonntag Lesungstext ist. Sara ist damit eine von fünf Frauen, die in der ersttestamentlichen Lesung an einem Sonntag oder Hochfest vorkommen. Zum Verhältnis: Es gibt im Ersten Testament knapp über 60 Frauen mit Namen und Geschichte. Die anderen vier ersttestamentlichen Frauen, die es in eine Sonntags- oder Hochfestlesung geschafft haben, sind Eva - drei Sonntage und ein Hochfest -, die Witwe von Sarepta aus den Geschichten um Elija, und zwei allegorische Figuren, nämlich die Frau aus dem Hohelied am Festtag von Maria aus Magdala und die „gute Frau“ aus dem Buch der Sprichwörter, die allerdings gnadenlos sinnentstellend zurechtgekürzt wird. Und Sara gehört in die Auflistung dieser fünf Frauen eigentlich nur halb hinein, denn die Perikope wird nur halb gelesen: Der Lesungstext am 16. Sonntag im Jahreskreis C endet mit Vers 10a, wo die Männer/Engel/Gott selbst zu Abram sagen: „Über die Zeit, die das Leben braucht, werde ich wieder zu dir kommen. Siehe, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben.“ (Gen 18,10a) Vorher kam Sara auch nur indirekt vor, nämlich in Abrahams Aufforderung, für die Gäste Brot zu backen. Saras Zuhören, ihre Gedanken, ihr Glucksen oder Jauchzen und ihr kurzes Gespräch durch die Zeltwand hören die Menschen im Sonntagsgottesdienst also nie. Die ausbalancierte Geschichte – erst agiert Abraham, dann die Männer, dann Sara – bekommt damit eine Schlagseite, die Sara, ohnehin schon unsichtbar hinter der Zeltbahn, auch noch unhörbar macht. Und es wäre doch schön gewesen, wenn die Frauenrolle hier über das reine Gebären hinausgehen würde, wo sie das im so alten Text schon tut. Sara ist ein Mensch mit einer eigenen Gottesbeziehung, aber das kommt nicht mehr zum Tragen.

In der gekürzten Fassung der Sonntagslesung wird die Geschichte des Gastmahls mit den drei Männern/drei Engeln/Gott selbst kombiniert mit der Erzählung aus dem Lukasevangelium, wie Marta, die „Herrin“, Jesus aufnimmt (Lk 10,38-42). Damit wird über die Stichwortverknüpfung der „Gastfreundlichkeit“ das Interesse auf die Identität des Besuchs gelenkt. Eine vollständige Lesung der Geschichte aus der Genesis hätte auch die Verbindung von Erstem und Zweiten Testament bereichert, dann könnte Saras Zuhören nämlich von Maria her nochmal neu betrachtet werden; aber diese Verbindung fällt durch die Kürzung hintenüber. Eine andere wichtige Verbindung ins Zweite Testament hinein geht durch die Kürzung der Lesung und die Textauswahl aus dem Evangelium ebenfalls unter, und das ist die Form, in der Lukas das Wort Gottes an Abraham aufgreift, wo die Sohnesverheißung bekräftigt wird: „Ist denn für JHWH ein Ding zu wunderbar?“ (Gen 18,14). Lukas kannte die griechische Fassung des Buches Genesis, wo es wörtlich heißt „Ist kraftlos bei Gott eine Sache?“, und er ändert das so behutsam ab, dass er es auf die Schwangerschaft der zweittestamentlichen Elisabeth mit Johannes dem Täufer hin aktualisieren kann, wenn der Engel Gabriel diese im Gespräch mit Maria erwähnt: „Denn nicht kraftlos ist bei Gott jedes Wort.“ (Lk 1,37) Diese Verknüpfung würde den Fokus von Gott und Abraham lösen und den Blick weiten, auf das Motiv der Engelworte und die späten Mütter von Verheißungskindern hin, und die zweittestamentlichen Frauen Maria und Elisabeth mit Sara in die Reihe der Erzmütter des final gesammelten Gottesvolkes stellen.